6 Gesundheitspolitischer Ausblick

Zusammenfassend ergibt sich durch das inhaltlich gesundheitsrelevante Fazit (Kapitel 5.2.2) ein gesundheitspolitisches Fazit, da sich durch diese Arbeit der Ausblick auf mögliche Lösungen für die diffizile Problematik der innerfamiliären Gewalt an Kinder erschließen ließ.

Auf Grund der geltenden Normen und damit einhergehenden Ideale werden in unserer Gesellschaft tabuisierte innerfamiliäre Informationen über Gewalttaten von den Opfern geheim gehalten. Psychotherapeuten verfügen über inhaltliche Prozesskompetenzen im Umgang mit der adaptiven Funktion der Gefühle des Kindes, die im Zusammenhang mit familiären Beziehungsloyalitäten und der Geheimhaltung von Gewalt bestehen. Durch das JWG § 37 ist die unmittelbare Beratung mittels individueller Krisenintervention für Kinder geregelt und erlaubt es dem Professionisten, den Eltern dort Grenzen zu setzen, wo das Wohl des Kindes gefährdet ist. Dem kindlichen Bedürfnis, sich mit seinen Sorgen um sich selber und der Familie im Zusammenhang mit der Offenlegung des Geheimnisinhaltes Gewalt mitzuteilen, wird eine gesundheitsrelevante Bedeutung beigemessen. Deshalb sollen Maßnahmen, die die Opfer schützen und bei ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Rehabilitation unterstützen,  erst von Amts wegen organisiert werden, nachdem die besonderen Umstände des Opfers angehört wurden.

In der Querschnittsmaterie Kinderschutz ist die Sicherung des Wohls des Kindes, mit seinem Druck, innerfamiliäre (tabuisierte) Familiengeheimnisse (z.B. Gewalt) geheimhalten zu müssen, als konkrete Gesundheitspräventionsmaßnahme zu sehen.

Diese Positionsbedingung eignet sich dafür, Kindeswohlgefährdung zu erfassen, damit umzugehen und maßvolle Hilfe und Intervention anzubieten. Die „Präventionsmaßnahme Kinderschutz“ enthält einfach zu erfassende Interventionen. Die eingenommene Position ergibt in Bezug auf die Mitteilungspflicht JWG § 37 den Schulterschluss zu einem in der Krise  angesiedelten Problemgespräch mit dem Kind und seinen Eltern über Gewalt.

Im Kontext Kinderschutz wird die  Mitteilungspflicht § 37 JWG der freien Jugendwohlfahrtsträger an die Jugendhilfe teilweise kritisch in Bezug auf die Geheimhaltungsbedürfnisse des Kindes gesehen und kontrovers bezogen auf die eigene Verschwiegenheitspflicht diskutiert. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt, dass das Wohl des Kindes nur dann hergestellt werden kann, wenn das Gefährdungspotential des Kindes durch den Täter in der Familie auch beurteilt werden kann. Dabei stellt das JWG § 37 für den Professionisten eine berufsrechtliche amtliche Grundlage für gesundheitsbezogene Interventionen und ein notwendiges Machtmittel dar, um einen Einfluß auf Veränderungsmöglichkeiten der Familienidentität bewirken zu können.

Der Kompetenzdschungel in der Querschnittsmaterie kann über die Fortbildung geregelt werden, da kindliche Geheimhaltungsprozesse inhaltliche und strukturelle Kompetenzen vorab der amtlichen Schutzinterventionen benötigen. Daraus ergibt sich folgender Schluss: Die Fürsorgepflicht liegt bei den Gesundheitsberufen (z.B. Psychotherapeuten), die Fortbildung dieser Professionalialisten kann nur selber von den Verantwortlichen der Jugendhilfe durchgeführt werden, um strukturell einheitliche Schutzhandlungen zu erreichen.

Die Implementierung der „Präventionsmaßnahme Kinderschutz“ kann  dadurch relativ einfach erreicht werden. Nicht das Gesetz ist das Problem, sondern die uneinheitlichen inhaltlichen und prozessorientierten Hilfeleistungen auf Grund der „fehlenden Position der Kompetenz“ in der Präventionsmaßnahme Kinderschutz. Die dafür notwendige interdisziplinäre Prozesskompetenz für Schutzmaßnahmen kann in der Fortbildung für Psychotherapeuten als Know-how nur von den Verantwortlichen selber vermittelt werden.

Es wäre allen in der Querschnittsmaterie Kinderschutz angesiedelten Institutionen gedient, wenn die Person, die mit dem Kind über Gewalt sprechen kann, diese Kompetenz auch für die interdisziplinäre Schutzkoordination und vorab der erforderlichen transdisziplinären Zusammenarbeit einbringt. Die berufsrechtlichen Bestimmungen der Verschwiegenheitspflicht und die Mitteilungspflicht JWG § 37 sind beide hilfreich für die Präventionsmaßnahme Kinderschutz, dadurch können evidenzbasierte Krisengespräche als die „Methode der Wahl“ bei Kindeswohlgefährdung zeitnah umgesetzt werden.

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